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Eigenheime für Eisenbahner
Hunderte von Wohnungen werden Mietern verkauft
VON RECHTSANWALT JÖRG STEINLEITNER
Rund 500 Mietwohnungen in München könnten in nächster
Zeit im Zuge einer Privatisierung in das Eigentum ihrer Bewohner übergehen.
Hintergrund ist der Verkauf von deutschlandweit 64.000 Eisenbahnerwohnungen
durch die Deutsche Bahn AG. Der Käufer, die Deutsche Annington Immobilien
GmbH (DIAG), will die Mieter nach und nach zu Eigentümern machen. Die übrigen
der insgesamt 3.000 Bahnwohnungen in München werden den Mietern voraussichtlich
in den nächsten Jahren zum Verkauf angeboten.
Das Projekt, das seit Februar 2001 läuft, ist eines der größten
Wohnungs-Privatisierungs-Programme in der Geschichte Deutschlands. Die 83-jährige
Rosi Rupprecht aus Laim hat nach über 40 Jahren als Mieterin einer solchen
Wohnung den Schritt zum Eigenheim gewagt – als eine der ersten in München.
„Weil das Angebot günstig war, haben wir die Wohnung gekauft.“
Zudem wusste die Seniorin genau über den Zustand des Objekts genau Bescheid.
Wann das Dach gedeckt oder die Fensterstöcke erneuert wurden, war ihr bekannt.
Auch ihre Schwiegertochter, von Beruf Steuerberaterin, fand an der Offerte der
Baugesellschaft Bayern – einer der Töchter der DAIG – keinen
Haken. Allerdings sagt sie, dass auch die Sorge um den möglichen Verlust
der Wohnung nach dem Wechsel aus dem Bundeseisenbahnvermögens in die privaten
Hände der DAIG, ein Kaufargument gewesen sei: „Die Oma hatte schon
Angst, dass sie vielleicht doch herausgekündigt wird.“
Mieterverein: „Besser als viele andere Privatisierungen“
Der Mieterverein München verfolgte die Verhandlungen wachsamen Auges. „Wir
begrüßen es generell nicht, wenn die öffentliche Hand sich von
Mietwohnungen trennt“, erläutert Geschäftsführerin Sibylle
Färber. Wenn aber ein Verkauf nicht mehr verhindert werden könne,
sei es wichtig, diejenigen, die nicht zu Eigentümern werden wollten, zu
schützen. Dies sei geschehen durch einen Nachtrag zu den bereits mit den
Bewohnern bestehenden Mietverträgen. Darin verzichtet die DAIG auf Eigenbedarfskündigung
und auf Kündigung wegen nicht angemessener wirtschaftlicher Verwertung.
Zudem wurde Luxus-Sanierungen, mit denen Mieter oftmals aus ihren Wohnungen
vertrieben werden, ein Riegel vorgeschoben: Modernisierung bedürfe der
Zustimmung des Mieters. Außerdem darf die DAIG bis 13. Februar 2011 die
Miete nicht mehr als 3 Prozent pro Jahr erhöhen. Die gesetzliche Regelung
ist diesbezüglich laxer. Gewöhnliche Vermieter dürfen den Mietzins
alle drei Jahre um maximal 20 Prozent erhöhen. Angesichts des Mieterschutzes
zieht Sybille Färber ein positives Resümee: „Ich finde, das
ist ein besserer Weg, als wir das häufig bei anderen Privatisierungen erleben.“
OB Ude: „Mieterschutz gewährleistet“
Oberbürgermeister Christian Ude (SPD), früher selbst Mieteranwalt,
sagte Anfang des Jahres zu dem Konzept: „Der Mieterschutz ist bei diesem
Modell gewährleistet.“ Wer wie Rosi Rupprecht Eigentümer werden
will, trägt das mit dem Kauf verbundene Risiko selbst. Doch nach Aussage
Gerhard Stolzenbergers, Geschäftsführer der Baugesellschaft Bayern,
liegen die Preise mit durchschnittlich 1.600 Euro je Quadratmeter unter dem
Münchner Niveau.
Allerdings betont er, dass dies nur ein Durchschnittswert sei. Der Verkaufspreis
werde für jede Wohnung separat festgelegt. Dabei lege die DAIG viel Wert
auf transparente Beratung und Sozialverträglichkeit: „In keinem Fall
darf eine Überschuldung des ehemaligen Mieters die Folge sein“, sagt
Stolzenberger.
Sein DAIG-Kollege Hermann Hirsch fügt hinzu: „Außerdem besteht
unser Markt sowieso nur aus einem Mieter pro Wohnung.“ Denn die 500 in
München ausgewählten Domizile würden nur an ihre Mieter verkauft.
Wenn ein Mieter aus eigenem Entschluss ausziehe, biete die DAIG die Wohnung
anderen Eisenbahnern an und erst dann auf dem offenen Wohnungsmarkt. Schon 50
Münchner Eisenbahner – und 8.500 deutschlandweit – haben wie
Rosi Rupprecht ihr Mietappartment zu ihren eigenen vier Wänden gemacht.
RA Jörg Steinleitner, Münchner Merkur, 7. Oktober 2002
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